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Windenergieanlagen in der (deutschen) verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung

Dr. Andreas Middeke, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Münster

In Zeiten des Klimawandels und der Energieeinsparung kommt der Windenergie eine besondere Rolle der Energieinnovation zu. Ruft man sich die Nutzung der Windenergie für das Betreiben von Windmühlen in Erinnerung wird deutlich, dass die Windenergie schon seit Jahrhunderten positiv genutzt wird. Zur kommerziellen Stromerzeugung wird die Windenergie jedoch erst genutzt, nachdem die fossilen Brennstoffe knapper und teurer wurden. In der Bundesrepublik Deutschland leitete das Stromeinspeisungsgesetz 1991 den Aufschwung der Windenergie ein. Mit diesem Gesetz wurden die Stromnetzbetreiber zur Abnahme des durch Windkraft erzeugten Stroms zu bestimmten staatlich festgelegten Preisen verpflichtet, was einer Subventionierung der Windenergieanlagen (Im Folgenden abgekürzt: WEA.) gleichkam. Diese Entwicklung wurde im Jahre 2001 durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz noch einmal verstärkt. In der Folge dieser umweltpolitischen Entscheidungen des Gesetzgebers waren gegen Ende des Jahres 2003 bereits ein Drittel der heute existierenden WEA in Deutschland installiert. Parallel dazu entwickelte sich auch der technische Maschinenbau der WEA weiter. Waren es ehemals kleinere Windkrafträder bis 500 KW/h mit 50 Meter Nabenhöhe und 40 Meter Rotordurchmesser, werden heute Großanlagen von weit über 100 Meter Höhe und einem Rotormesser von 116 Meter mit einer Leistung bis zu 5 MW/h errichtet.

 

 

Eine statistische Auswertung besagt, dass es zum 30. Juni 2007 in der Bundesrepublik Deutschland knapp 20.000 Onshore-WEA gab, die sich allein im ersten Halbjahr 2007 um 347 Anlagen vermehrt haben. Glaubt man dem Bundesverband der Deutschen Windenergieerzeuger, so produzierten die WEA am 30. Juli 2007 mit 226 Millionen KW/h nach dem Stillstand von 6 der 17 deutschen Atomkraftwerke fast so viel Strom wie die verbliebenen Atomkraftwerke mit 270 Millionen KW/h. Denjenigen von Ihnen, die an unserem letzten Treffen in Oldenburg teilgenommen haben, verrate ich kein Geheimnis, wenn ich Ihnen mitteile, dass die meiste Leistung von Windenergiestrom im Bundesland Niedersachsen produziert wird. Sieht man sich einmal die Einzeldaten an, stellt man jedoch fest, dass der regenerative Strom von WEA im Verhältnis zu den anderen Stromerzeugern nur einen Anteil von 5 % am gesamten Endenergienverbrauch in Deutschland im Jahre 2006 innehatte. Gleichwohl wird die Windkraft in Deutschland weiter als Wachstumsmarkt und als Klimaschutzträger propagiert. Infolge der begrenzten Landressourcen der Bundesrepublik Deutschland und der relativ dichten Besiedlung ist der Wachstumsmarkt im Landesinnern jedoch begrenzt, weshalb die Bundesländer mit Küstenanbindung die Nutzung der Windenergie auf das offene Meer durch sogenannte Offshore-Anlagen verlagern. Schaut man sich die Dimensionen der gegenwärtigen Anlagen und ihre drastische Vermehrung an, ist leicht vorstellbar, dass die Nutzung der Windenergie nicht überall ungeteilte Zustimmung findet. Im folgenden möchte ich Ihnen einen groben Überblick der Probleme geben, mit denen sich die Verwaltungsgerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit WEA beschäftigen musste und auch heute noch muss. Kurz skizziert betreffen diese Probleme die raumordnungsrechtlichen Planungsgrundlagen und die von den WEA ausgehenden Umwelteinwirkungen, namentlich auf die nähere Umgebung und ihre dort lebenden Anwohner.

WEA bedürfen nach einer Rechtsänderung im Jahre 2005 heute im Regelfall einer immissionsrechtlichen Genehmigung durch die zuständige Genehmigungsbehörde. Genehmigt werden kann eine WEA nach dem deutschen Immissionsrecht dann, wenn schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen weder für die Allgemeinheit noch für die Nachbarschaft hervorgerufen werden. Dabei können die Art und Weise der von einer WEA ausgehenden „schädlichen Umwelteinwirkungen“ vielfältig sein.

Hier kommen nun die Verwaltungsgerichte ins Spiel, die die Entscheidung der Immissionsschutzbehörden in rechtlicher und technischer Hinsicht zu überprüfen haben. Im bundesdeutschen Verwaltungsprozessrecht kann nur derjenige eine Klage führen, der durch einen Verwaltungsakt in eigenen subjektiven (höchstpersönlichen) Rechten betroffen ist. Dies ist zunächst der Anlagenbetreiber, dessen Antrag auf Errichtung und Betrieb einer WEA abgelehnt wird, weil hierdurch in seine Grundrechte eingegriffen wird. Klagen kann aber auch ein von der genehmigten WEA betroffener Nachbar, der sich durch die in der näheren Umgebung genehmigten WEA in seinem Eigentumsrecht und/oder seinem Recht auf körperliche Unversehrtheit verletzt sieht. Nicht zuletzt kann aber auch eine Kommune gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung einer WEA aufgrund der grundrechtlich geschützten Planungshoheit vorgehen, wenn die WEA eine hinreichend bestimmte Planung der Gemeinde nachhaltig stört, z. B. weil sie infolge ihrer Großräumigkeit wesentliche Teile des Gemeindegebietes einer durchsetzbaren Planung entzieht und wenn gemeindliche Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich beeinträchtigt werden oder wenn bei der Genehmigung wesentliche Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte der Gemeinde verletzt worden sind.

Die Beeinträchtigungen von einer zu genehmigenden bzw. genehmigten WEA können für die in der Umgebung lebenden Anwohner und Tiere vielfältig sein. Allerdings rechtfertigt nicht jede Beeinträchtigung die Ablehnung der Errichtung einer WEA oder deren Stilllegung nach Betriebsaufnahme. Sind von einer WEA Immissionen zu erwarten, sind diese nur dann schädlich im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes, wenn sie die Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme überschreiten. Ob diese Zumutbarkeitsgrenze überschritten wird, richtet sich a) nach der Art und Weise der Umwelteinwirkung sowie b) nach der konkreten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Rechtsgüter, die sich ihrerseits wieder nach c) der bebauungsrechtlichen Prägung der Situation und nach den tatsächlichen oder planerischen Vorbelastungen bestimmt.

Wenden wir uns deshalb zunächst den planungsrechtlichen Grundlagen zu. WEA sollen nur dort errichtet und betrieben werden, wo es sich von der Windausbeute her lohnt. Damit sind die bebauten Flächen und Innenstadtbereiche ausgeschlossen. Von ihrer Zielsetzung her sind die WEA deshalb auf freie Flächen und Erhebungen, Hügel oder Bergrücken, wo die Rotoren ungehindert dem Wind ausgesetzt sind, angewiesen. Nach dem deutschen bundesrechtlichen Bauplanungsrecht sind WEA, also Bauvorhaben, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie dienen, privilegiert im Außenbereich zulässig, also in Gebieten, die weder durch einen Bebauungsplan verplant sind noch sich innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils befinden. Zulässig sind WEA des weiteren nur dann, wenn ihnen öffentliche Belange, zu denen auch andere ebenfalls im Außenbereich privilegierte Nutzungen zählen können, nicht entgegenstehen. Ob dies der Fall ist, muss grundsätzlich im Wege einer sogenannten nachvollziehenden Abwägung ermittelt werden. Generell hat der Gesetzgeber den Außenbereich damit nicht für privilegierte Bauvorhaben freigegeben, sondern diese unter das Gebot der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs gestellt und davon abhängig gemacht, ob der Zulässigkeit eines solchen privilegierten Vorhabens im Einzelfall öffentliche Belange entgegenstehen. Zu diesen öffentlichen Belangen gehören andere ebenfalls privilegierte, aber der Windenergie teilweise gegenläufige Nutzungen, wie Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Natur- und Landschaftsschutz oder die Ausweisung neuer Baugebiete. Diese Nutzungen sind durch die planungsrechtlichen Grundlagen in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. Deshalb wird der Gesamtraum der Bundesrepublik Deutschland und seine Teilräume durch zusammenfassende übergeordnete Raumordnungspläne gesichert, geordnet und entwickelt. Die einzelnen Bundesländer schaffen dabei unter Beachtung der übergeordneten Raumordnungsgrundsätze auf ihrem Gebiet einen Raumordnungsplan und die bei den Mittelbehörden ressortierenden Bezirksplanungsbehörden einen sogenannten Regionalplan. Auf der Grundlage des Landesentwicklungsprogramms legen die Regionalpläne in einem groben Raster die regionalen Ziele der Raumordnung für alle raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen fest. Auch einzelne WEA können raumbedeutsam sein. Die Wirkung auf die räumliche Entwicklung kann sich dabei aus den Dimensionen einer solchen Anlage (Nabenhöhe, Rotordurchmesser, Gesamthöhe), aus ihrem konkreten Standort oder aus ihren Auswirkungen für bestimmte Ziele der Raumordnung (Schutz von Natur und Landschaft, Erholung und Fremdenverkehr) ergeben. In der Regel wird die Raumbedeutsamkeit von WEA bei einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern angenommen. Damit nicht jeder Landwirt sich ungeordnet ein Windrad auf seinem Grundstück errichtet und um so einer „Verspargelung“ der Landschaft entgegenzuwirken ist der deutsche Gesetzgeber hingegangen und hat es den Regionalplanern und örtlichen Gemeinden ermöglicht, bestimmte Bereiche als Eignungs- oder Vorranggebiete für die Windenergienutzung auszuweisen mit der Folge, dass die Zulässigkeit von WEA an anderer Stelle im Plangebiet grundsätzlich ausgeschlossen ist (sog. Konzentrationszonen). Wird somit für einen bestimmten Landschaftsbereich durch den überörtlichen Regionalplan oder den örtlichen Flächennutzungsplan ein bestimmter Bereich für die Nutzung der Windenergie und den Bau und den Betrieb von WEA festgelegt, kann dies nach der Konzeption des deutschen Gesetzgebers zu einer sog. gebietsexternen Ausschlusswirkung für Windenergieanlagen an anderer Stelle im Gemeindegebiet führen. Den Regionalplänen und Flächennutzungsplänen kommt damit eine Konzentrationswirkung für WEA an der ausgewiesenen Stelle dergestalt zu, dass sie jedenfalls die Zulässigkeit von WEA an anderer Stelle steuern und damit in der Regel verhindern. Die Errichtung von WEA im gemeindlichen Außenbereich steht damit unter dem Planungsvorbehalt, dass die Festlegung für Standorte von WEA in anderen gemeindlichen Bereichen weder durch Regionalplan noch durch Flächennutzungsplan erfolgt ist. An derartige Pläne sind jedoch strenge inhaltliche Anforderungen zu stellen. Sie müssen auf einem schlüssigen Gesamtkonzept beruhen und müssen der Windkraft ausreichend Rechnung tragen. Die Pläne müssen für sich genommen sicherstellen, dass sich die Windkraft in den ausgewählten Bereichen tatsächlich gegen andere im Außenbereich vorhandene konkurrierende Nutzungen durchsetzt.

Für die Verwaltungsgerichte ergeben sich in diesem Zusammenhang insbesondere folgende Probleme: Zum einen müssen die Regional- und Flächennutzungspläne als Abwägungsentscheidung den in der Rechtsprechung zum Abwägungsgebot entwickelten Grundsätzen entsprechen. Die Ausweisung entsprechender Windvorranggebiete muss gerechtfertigt sein. Als Rechtfertigungsziele lassen sich nennen: konzentrierte Errichtung von WEA unter Einbeziehung der Belange des Freiraumschutzes und der Landschaftspflege sowie der Zielvorgaben der Landes- und Gebietsentwicklungsplanung. Stellt eine Gemeinde nach Abwägung der beachtlichen Belange zwei Gebiete für die Windenergienutzung dar, muss sie, wenn sie einen Standort wiederaufheben will, erneut in eine Abwägung der für und gegen die beiden Flächen sprechenden Belange eintreten. Im Einzelfall kann die eine Fläche schützenswerter als die andere Fläche sein. Auslöser einer solchen Darstellung im Flächennutzungsplan kann auch der Antrag auf Errichtung einer WEA sein, um so die städtebauliche Entwicklung und Ordnung im gemeindlichen Außenbereich zu ordnen und zu strukturieren. Die Darstellung oder Änderung eines Flächennutzungsplans darf jedoch nicht alleine auf die Verhinderung von WEA gerichtet sein, indem eine Kommune die Flächennutzungsplanung als Mittel benutzt, um unter dem Deckmantel der Steuerung des Außenbereichs WEA in Wahrheit zu verhindern (sog. Feigenblattplanung). Die Gemeinde und auch der Regionalplanungsgeber müssen der Privilegierungsentscheidung des Gesetzgebers Rechnung tragen und für die Windkraft in substantieller Weise Raum schaffen. Allein die Ausweisung einer Konzentrationszone ist für sich genommen noch kein Indiz für einen fehlerhaften Gebrauch der Planungsermächtigung. Vielmehr muss die Ausweisung der Konzentrationszone das Ergebnis einer ausgewogenen Abwägung der unterschiedlichen Nutzungen und abwägungserheblichen Belange sein. Erst auf der Ebene des Bebauungsplanes kann eine weitere Feinsteuerung – etwa durch Begrenzung der Anlagenhöhe (< 100 m) oder der Leistung (< 1 MW/h) oder der Standortfestlegung von WEA – erfolgen. Die Gemeinde kann durch Bebauungsplan auch den Abstand von WEA untereinander steuern, so dass innerhalb der Abstandflächen jeweils nur eine WEA Platz findet. Ein weiteres Problem ist, dass die Regionalpläne als grobe Raster häufig größere Zonen für die zur Windnutzung geeigneten Gebiete ausweisen. Vor Ort gehen die Gemeinden dann oftmals nach örtlicher Prüfung hin und verändern oder schränken diese im Regionalplan ausgewiesene Windvorrangzonen ein oder planen sie gänzlich weg. Da die Regionalpläne aber zu den übergeordneten Grundsätzen der Raumplanung gehören, ist der örtliche Planungsgeber an sie gebunden. Eine Änderung oder Wegplanung der überörtlichen Vorrangzonen ist nur nach Durchführung eines sog. Zielabweichungsverfahrens möglich. Aber auch, wenn die Aufstellung bzw. Änderung eines Flächennutzungsplans die unterschiedlichen Flächennutzungen in ein abgewogenes Verhältnis setzen soll, wird die Bindungswirkung an die Grundsätze der Raumordnung dann verkannt, wenn die auf regionalplanerischer Ebene im Sinne einer abschließend abgewogenen verbindlichen Letztentscheidung getroffene Festlegung, dass der als Vorrangzone ausgewiesene Bereich grundsätzlich für Windenergienutzung geeignet ist, nochmals räumlich eingegrenzt und der Eignungsbereich einer weiteren örtlich eigenständigen Prüfung unterzogen wird, ob und in welchem räumlichen Umfang diese Eignung nach den planerischen Vorstellungen der Ortsgemeinde letztlich bejaht werden kann. Bleiben danach nicht einmal 10 % der ursprünglich im Regionalplan vorgesehenen Vorrangzone übrig, kann auch nicht ansatzweise mehr die Rede davon sein, dass sich die örtliche Flächennutzungsplanung noch an der allgemeinen Größenordnung und der annähernden räumlichen Lage des festgelegten Eignungsbereiches des Regionalplans orientiert hat und demzufolge an den übergeordneten Zielen der Raumordnung. Der Gebietsentwicklungsplan darf also nicht durch die nachvollziehende Bauleitplanung der Kommunen ausgehöhlt werden. Wo aber die Grenze zwischen der noch zulässigen zur schon unzulässigen Einschränkung bzw. Wegplanung verläuft, ist bislang in der bundesdeutschen Rechtsprechung offen.

Kommen wir im Folgenden zu den von den WEA ausgehenden „schädlichen Umwelteinwirkungen“. Als solche von WEA ausgehenden Beeinträchtigungen sind insbesondere akustische und optische Beeinträchtigungen sowie erdrückende Wirkungen und Eingriffe auf die Tier- und Pflanzenwelt zu nennen. Bei einer WEA können sowohl von den Rotorblättern als auch von dem Getriebe Geräusche im Betriebszustand hervorgerufen werden. Für die Beurteilung der Frage, ob Lärmemissionen, die von einer WEA ausgehen, schädliche Umwelteinwirkungen darstellen, werden in der Bundesrepublik Deutschland sog. normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften als antizipierte Sachverständigengutachten herangezogen. Einschlägig ist hier die technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA-Lärm). Da WEA allein im Außenbereich erlaubt werden, sind nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte die nach der TA-Lärm für Mischgebiete geltenden Grenzwerte von im Regelfall allein einschlägigen 45 Dezibel (a) nachts einzuhalten. Damit ist den Bewohnern im Außenbereich ein von WEA ausgehender deutlich höherer Geräuschpegel als in einem innerörtlichen Wohnbereich zuzumuten. Auch, wenn es sich bei dem Außenbereich um einen aus Gründen des Landschafts- und/oder des Naturschutzes festgesetztes Schutzgebiet handelt, ergibt sich für die dort lebenden Bewohner keine höhere, besondere Schutzwürdigkeit. Im Rahmen der Genehmigungserteilung haben die zuständigen Immissionsschutzbehörden und ihnen nachfolgend später die Verwaltungsgerichte zu überprüfen, ob die mit dem Antrag einzureichenden Schnallimmissionsprognosen – also computerunterstützte Rechenmodelle – die für die WEA errechneten Lärmwerte – unter Einrechnung von Sicherheitszuschlägen – einhalten. Die Sicherheitszuschläge werden deswegen vorgenommen, um später bei der Errichtung auf der „sicheren Seite“ zu sein. Erst, wenn die Grenzwerte entweder schon infolge der Schallimmissionsprognose oder später im Rahmen einer nachvollziehenden örtlichen Messung überschritten werden, sind die von einer oder mehreren WEA ausgehenden Lärmemissionen nicht mehr zumutbar und stellen dementsprechend schädliche Umwelteinwirkungen dar, die gegen die Genehmigung der beantragten Anlage sprechen. Für die Einhaltung des Nachtlärmwertes kommt es darauf an, dass der Wert während des regulären Betriebs auch in der lautesten Nachstunde nicht überschritten wird. Hier sind mögliche Vorbelastungen in der Umgebung durch andere Geräuschquellen mit zu berücksichtigen. Allerdings sind die heutigen WEA meist mit einer Technik ausgestattet, die es erlaubt, die WEA nur mit einem bestimmten Prozentsatz der Nennleistung zu fahren, um so die Grenzwerte einzuhalten. Ebenso ist es technisch möglich, dass eine Nachtabschaltung bei Überschreiten des Wertes von 90 oder 95 % der Nennleistung der WEA die Wahrung der nachbarlichen Rechte herbeiführt. Dies kann auch über eine Nebenbestimmung zur immissionsschutzrechtlichen Genehmigung sichergestellt werden.

Ein weiteres Phänomen von Umweltbeeinträchtigungen sind die bei Sonnenschein auftretenden störenden Reflektionen des Sonnenlichts auf den Rotorblättern. Bei diesen Lichtreflektionen spricht man auch vom sog. Discoeffekt. Während dieses Phänomen früher zu wiederholten Gerichtsentscheidungen geführt hat, haben die Windenergiebetreiber heute dahingehend reagiert, dass die Rotorblätter mit matten Farbanstrichen versehen werden, die die Reflektionen minimieren. In die gleiche Kategorie gehört auch die sog. Nachtbefeuerung. Ragen WEA über 100 Meter in den Nachthimmel hinein, müssen diese infolge ihrer Größe in der Dunkelheit mit rotierenden/blinkenden Lichtzeichen für die Flugzeuge ausgestattet werden. Zu verwaltungsgerichtlichen Prozessen führten diese blinkenden Lampen, weil sich Nachbarn hierdurch belästigt fühlten.

In die gleiche Kategorie gehört der von WEA ausgehende Schattenwurf. In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass unzumutbare Umwelteinwirkungen durch Schattenwurf dann angenommen werden müssen, wenn im Sinne einer Worst-Case-Betrachtung an dem fraglichen Standort des benachbarten Wohnhauses mehr als 30 Stunden im Jahr oder mehr als 30 Minuten am Tag Schattenwurf durch rotierenden Rotorblätter zu erwarten ist, wobei auch eine wertende Betrachtung gefordert wird, die über die bloßen Einwirkzeiten hinaus auch die Umstände des Einzelfalls in den Blick nimmt. Ebenso wie bei den Geräuschemissionen lässt sich das Problem der Überschreitung des höchstzulässigen Schattenwurfs jedoch durch Nebenbestimmungen zur Genehmigung beseitigen. Die Technik der WEA ist heute so weit, dass die Anlagen mit einer Abschaltautomatik ausgestattet werden, die so zu programmieren ist, dass die Einwirkung von beweglichem Schatten auf das Nachbargrundstück vollständig ausgeschlossen wird.

In die gleiche Richtung geht die in jüngerer Zeit behandelte Problematik der optisch bedrängenden Wirkung der WEA auf Nachbargrundstücke. Ist eine WEA so groß und mächtig, dass es für das benachbarte Grundstück und seine Bewohner zu einer erdrückenden oder erschlagenden Wirkung kommt, kann die WEA rücksichtslos sein. Maßgeblich sind jedoch die Umstände des Einzelfalls. Anders als bei massiven Bauwerken vermittelt die WEA in der Regel nicht das Gefühl des Eingemauertseins. Vielmehr wirkt die WEA durch ihre Höhe und durch die Rotorbewegung. Dabei kommt der Drehbewegung des Rotors eine entscheidende Bedeutung zu, weil der drehende Rotor eine Art Unruheelement schafft und damit die erhöhte Aufmerksamkeit auf sich lenkt als ein statisches Objekt. Ein sich bewegendes Objekt zieht den Blick nahezu zwangsläufig auf sich. Es kann Irritationen hervorrufen und die Konzentration auf andere Tätigkeiten wegen der steten, kaum vermeidbaren Ablenkung erschweren. Zum anderen vergrößert die Drehbewegung des Rotors ihre optischen Dimensionen deutlich und bestimmt sie. Ebenso wie Bauwerke kann die vom Rotor bestrichene Fläche gebäudegleiche Abmessungen und deswegen optische Auswirkungen erreichen. Für die Einzelfallprüfung hat die Verwaltungsrechtsprechung grobe Anhaltswerte für die Würdigung im Einzelfall entwickelt:

Beträgt der Abstand zwischen einem Wohnhaus und einer Windenergieanlage mindestens das dreifache der Gesamthöhe (Nabenhöhe + Hälfte Rotordurchmesser) der geplanten Anlage, dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu dem Ergebnis kommen, dass von dieser Anlage keine optisch bedrängende Wirkung zu Lasten der benachbarten Wohnnutzung ausgeht. Bei einem solchen Abstand treten die Baukörperwirkung und die Rotorbewegung der Anlage soweit in den Hintergrund, dass ihr in der Regel keine beherrschende Dominanz und keine optisch bedrängende Wirkung gegenüber der Wohnbebauung zukommt. Ist der Abstand jedoch geringer als das zweifache der Gesamthöhe der Anlage, dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu einer dominanten und optisch bedrängenden Wirkung der Anlage gelangen. Ein Wohnhaus wird bei einem solchen Abstand in der Regel optisch von der Anlage überlagert und vereinnahmt. Auch tritt die Anlage in einem solchen Fall durch den verkürzten Abstand und den damit vergrößerten Betrachtungswinkel derart unausweichlich in das Sichtfeld des Betrachters, so dass die Wohnnutzung überwiegend in unzumutbarer Weise beeinträchtigt wird. Schwierig wird die Beurteilung der Fälle optisch bedrängender Wirkung durch Windenergieanlagen dann, wenn der Abstand zwischen dem Wohnhaus und der Windkraftanlage im zwei- bis dreifachen Abstand der Gesamthöhe der Anlage liegt. In diesem Fall erfordert die Rechtsprechung eine besonders intensive Prüfung des Einzelfalls.

Bei dieser Einzelfallprüfung kommt es auf die örtlichen Verhältnisse an. So ist u.a. die Lage der Räumlichkeiten des optisch bedrängten Wohnhauses, deren Fenster sowie die Lage von Terrassen u.ä. zur Windenergieanlage von Bedeutung. Ebenso kann auch die Grundstücksgröße von Bedeutung dafür sein, ob für die Bewohner eine Ausweichmöglichkeit ihres Betrachtungswinkels zur Windenergieanlage besteht. Relevanz für eine bedrängende Wirkung hat ferner, ob sich die Aufenthalts- und Wohnräume in Blickrichtung auf die Windenergieanlage befinden, oder ob sie von den Räumlichkeiten überhaupt nicht wahrgenommen wird. Haben die Nachbarn zureichende oder zumutbare Abschirmungsmöglichkeiten, etwa durch Heckenanpflanzungen oder Bäume oder sonstige Abschirmmöglichkeiten, kann dies ebenso gegen eine optisch bedrängende Wirkung sprechen, wie beispielsweise die topografische Situation einschließlich vorhandener Waldgebiete. Desweiteren ist auch die planungsrechtliche Situation zu berücksichtigen. Derjenige, der sich im privilegierten Außenbereich ansiedelt, ist zwar auch schutzwürdig, jedoch verringert sich sein Schutzanspruch dahingehend, dass ihm Maßnahmen zuzumuten sind, der optisch bedrängenden Wirkung einer WEA auszuweichen. Dies kann nicht nur – wie erwähnt – durch Anpflanzungen oder Verdichtungen, sondern auch durch zumutbare Veränderungen der Wohnräume geschehen. Ebenso können optische Vorbelastungen durch Strommasten o.ä. Bauwerke sowie bereits bestehende andere WEA den Schutzanspruch des Betroffenen gegen eine mögliche optische bedrängende Wirkung vermindern.

Neben den akustischen und optischen Beeinträchtigungen können sich auch Umwelteinwirkungen auf die Landschaft, die Natur und die dort lebende Tier- und Pflanzenwelt ergeben. So kann sich auf Grund der Höhe und der anlagentypischen Drehbewegung der Rotorblätter ein grober Eingriff in die wegen ihrer Schönheit und Funktion besonders schutzwürdigen Umgebung ergeben, was wiederum von einer wertenden Betrachtung abhängt. Eine Verunstaltung ist beispielsweise von der Rechtsprechung in einem Fall bejaht worden, als in einer Mittelgebirgslandschaft an exponierter Stelle WEA unmittelbar in das Blickfeld einer bislang unbeeinträchtigten Fernsicht traten und durch ihre Rotoren eine optische Unruhe in das ansonsten ruhige Landschaftsbild brachten, wodurch die „ästhetisch wertvolle Einzigartigkeit“ massiv beeinträchtigt wurde. Nicht erforderlich ist bei dieser wertenden Betrachtung, ob das beeinträchtigte Gebiet förmlich unter Natur- oder Landschaftsschutz steht. Weniger die Pflanzen- als vielmehr die Tierwelt kann von der Errichtung und dem Betrieb von WEA betroffen sein. Dies wird beispielsweise in Fällen angenommen, in denen unter Schutz gestellte Vogelarten von den Rotoren getroffen werden oder Windenergieanlagen in Durchzugs- oder Brutgebiete geschützter Vogelarten errichtet werden und so zu einer Beeinträchtigung der dort vorhandenen Population führen.

Zum Schluss möchte ich auf eine Umwelteinwirkung eingehen, mit der in Italien jedenfalls hier in Süditalien – kaum zu rechnen sein wird, die aber in den nordischen Gebieten namentlich in Deutschland durchaus aktuell geworden ist und wieder werden kann. Dieses Problem betrifft die im Winter gefrierende Feuchtigkeit auf den Rotorblättern von WEA, so dass es durch Eisabwurf im Nahbereich zu Sicherheitsproblemen kommen kann. Wie weit die Eisstücke fliegen, hängt vom Betriebszustand der Windenergieanlagen, der Windrichtung und der Windstärke ab. Nach einer Umfrage sind Eisstücke bis zu einer Entfernung von 120 Metern gefunden worden. Gleichwohl ist die Technik der Anlagenbetreiber mittlerweile so ausgereift, dass Eissensoren an den Rotorflächen und technische Einrichtungen zur Unwuchtkontrolle sowie zur Überwachung von Leistungskennlinien bei Vereisungsgefahr unter 2 Grad für eine automatische Abschaltung der Windenergieanlagen sorgen, so dass die Gefahr, von abplatzenden Eisstücken getroffen zu werden, eher dem allgemeinen Lebensrisiko zuzuordnen ist.

Ich hoffe, Ihnen verdeutlicht zu haben, dass mit der Errichtung und dem Betrieb von Windenergieanlagen nicht nur positive Seiten wie die regenerative Energiegewinnung verbunden sind, sondern auch negative Erscheinungen, die gerade im Hinblick auf die Umwelt und der Nachbarschaft zu zahlreichen Rechtsstreitigkeiten führen. Mit diesem groben Überblick über die verschiedenen Rechtsprobleme rund um die Windenergieanlagen möchte ich schließen und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

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